Sundern. Eine Verabschiedung eines städtischen Haushalts ohne Gegenstimmen, daran kann sich in Sundern in den langen Jahren der absoluten CDU-Mehrheit niemand mehr erinnern. In diesem Jahr hat es das dagegen (fast) zwei Mal gegeben. Im März war es lediglich ein FDP-Ratsmitglied, das dem damals noch sehr verspäteten Haushalt für 2015 seine Zustimmung verweigerte, neun Monate später gab es keine Gegenstimme mehr, keine Enthaltung und das alles auch noch voll im Zeitplan.
CDU: Haushalt trägt auch Handschrift der Opposition
Die Ratsmitglieder hatten es diesmal allerdings auch einfacher, den der da noch amtierende Bürgermeister Detlef Lins und Kämmerin Ursula Schnelle hatten anders als für 2015 einen genehmigungsfähigen Haushaltsentwurf vorgelegt. Damit blieb den Politikern der Kraftakt erspart, die Lücken zu stopfen. Dennoch gab es auch diesmal intensive Beratungen und etliche Veränderungen. Auch die CDU, die sich nach der Abschlussberatung im Haupt- und Finanzausschuss wegen internen Beratungsbedarfs als einzige Fraktion noch enthalten hatte, sagte am Endel Ja. „Auch als neue Opposition stimmen wir zu, weil dieser Haushalt auch die Handschrift der CDU trägt,“ sagte Fraktionschef Stefan Lange und verwies auf die Nichtanhebung der Elternbeiträge, Schülerfahrtkosten, Zuschüsse für die Jugendförderung und sozialpädagogische Förderung der Grundschüler.
Bürger müssen mehr für Grundsteuer und Entwässerung bezahlen
Trotz der breiten Zustimmung äußerten alle sieben Haushaltsredner aber Bauchschmerzen. Das liegt zum einen an den beschlossenen Steuer- und Gebührenanhebungen, zum anderen an den nicht kalkulierbaren Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge. So beschloss der Rat für 2016 eine Anhebung der Grundsteuer A und B um jeweils 30 Punkte. Die derzeit kräftig sprudelnde Gewerbesteuer blieb unangetastet. Die Entwässerungsgebühren steigen um 12 Cent und sollen damit 250.000 Euro jährlich für die Haushaltsentlastung bringen. Die Flüchtlingsunterbringung wurde allgemein als größte Herausforderung des kommenden Jahres gesehen, da die Stadtverwaltung für 2016 mit bis zu 1000 neuen Menschen auf der Flucht rechnet. Vier zusätzliche Stellen – zwei Verwaltungsangestellte und zwei Sozialarbeiter – wurden befristet auf zwei Jahre beschlossen.
Transparenz bei Flüchtlingsunterbringung angemahnt
Neben allseits vielen Dankesworten, vor allem an die Verwaltung für die gute Arbeit der Kämmerei, aber auch an die jeweiligen politischen Mitbewerber für die gute Zusammenarbeit, wurde aber auch verbal ausgeteilt. Den Anfang machte Stefan Lange (CDU), der den alten wie den neuen Bürgermeister ausgerechnet in der Flüchtlingsfrage attackierte. Detlef Lins warf er eine massive Fehleinschätzung vor, weil er noch im August gesagt habe, Sundern habe die Lage im Griff. Und Nachfolger Ralf Brodel warf er bei diesem Thema mangelnde Transparenz vor, wobei dieser in Sundern zuletzt viel gebrauchte begriff seiner Meinung nach zu einer Worthülse geworden sei. Lange klagte, dass die Politik beim Flüchtlingsthema nur nach expliziter Nachfrage oder überwiegend aus den Medien informiert werde und forderte eine bessere Einbindung des Rats. Kurz darauf musste Lange selbst einstecken. SPD-Fraktionschef Michael Stechele forderte ihn und seine Fraktion auf, endlich aus der Schmuddelecke zu kommen. Mit dem Ausscheiden des ehemaligen Fraktionschefs Günter Martin sei bei der CDU auch der haushaltspolitische Sachverstand untergegangen.
Rundumschlag eines Heimatlosen
Zu einem verbalen Rundumschlag holte Klaus Tolle aus, der die CDU-Fraktion nach der Nicht-Nominierung von Detlef Lins im Frühjahr verlassen hatte. Er stehe hier allein und ohne Heimat, sagte der Hagener, der der CDU vorwarf, den alten Bürgermeister geschaßt zu haben, dem neuen „selbsternannten Bündnis“, mit der Windkraft, dem Ferienpark Amecke und der Innenstadtentwicklung die wichtigsten Projekte auf Null gebracht zu haben und ein Bild des Grauens zu bieten, und dem neuen Bürgermeister, zwei langjährige Führungsmitglieder der Verwaltung diskreditiert, das Vertrauen der Verwaltung verloren und damit einen klassischen Fehlstart hingelegt zu haben. Der Bürgermeister hatte sicherlich auch diesen Betrag im Sinn, als er den Rednern für ihre „zu 95 Prozent konstruktiven Beiträge“ dankte. Im übrigen bedauerte er stark, das er nicht selbst eine Haushaltsrede halten dürfe. Das hatte in diesem Jahr noch Vorgänger Detlef Lins bei seiner letzten Ratssitzung übernommen.
Ferienpark „gescheitert“ und „ein Scherbenhaufen“
Deutliche Worte gab es zum Ferienpark-Projekt in Amecke. Stefan Lange sagte, das Projekt sei gescheitert und es werde Zeit, dass sich die Stadt offiziell davon distanziere. Auch die CDU habe hier zu lange auf das falsche Pferd gesetzt. Auch für Michael Stechele ist aus einem wichtigen Baustein der Tourismusentwicklung ein Scherbenhaufen geworden. Er hoffe aber noch auf einen Investor, der über eine Tourismusabgabe auch zur Refinanzierung der enormen Investitionen beitrage. Derzeit sehe er aber ein finanzielles Desaster, da der Verkauf der Gastronomiefläche ein frommer Wunsch sei, aber viel Geld für die Parkplätze in Amecke in die Hand genommen werden müsste. Hans Klein (WISU), sagte, die Gastronomiefläche dürfe nur in Erbpacht vergeben werden, denn Sundern dürfe sein Tafelsilber nicht verkaufen. Rüdiger Laufmöller (FDP) verlangte, wieder mehr auf Sunderns Kornkammer, das produzierende Gewerbe, zu setzen, denn das sei bei den vielen Tourismusprojekten zu sehr in den Hintergrund getreten. Toni Becker (Grüne) verband die Themen Ferienpark und Flüchtlinge. Er forderte, die Freibadruine in Amecke abzureißen, denn die sei „abgeranzt“, und dort Holzhäuser für Flüchtlinge zu bauen. Die könnten dann später einmal als eigener kleiner Ferienpark unter städtischer Regie genutzt werden.
WISU will Parkgebühren in der Innenstadt
Auch das Thema Innenstadtentwicklung wurde aufgegriffen. Hans Klein (WISU) forderte, künftig auf teure Leuchtturmprojekte zu verzichten und im diesen Sinne auch die teure Röhrrenaturierung in der Innenstadt zu überprüfen, weil sie der Stadt mit Folgekosten weit über eine Million Euro kosten werde. Vor allem, so Klein, müssten die Parkplätze erhalten bleiben. Und für diese Parkplätze sollten auch Gebühren genommen werden. Die Stadt Sundern sei die einzige weit und breit, die in der Innenstadt noch kostenloses parken anbiete. Wer aber für 50 Euro einkaufe, sei auch bereit, einen Euro fürs Parken zu bezahlen. Wieviel Geld da eingenommen werden könne, zeige das Parken am Sorpesee. Toni Becker (Grüne) bekannte seine stille Freude, dass der Innenstadtinvestor ausgeschieden sei. Jetzt gelte es dort, die Braut schön zu machen, um einen hochwertigen Lebensmittelhändler anzulocken. Aufgaben der Stadt seien die Schaffung von Aufenthaltsqualität, auch an der Röhr, und der Erhalt der alten Johannesschule. Michael Stechele (SPD) nannte den Weg, die künftige Innenstadtentwicklung von den Wünschen eines einzelnen Investors abhängig zu machen, endgültig gescheitert. Aufenthaltsqualität und gute Infrastruktur seien die städtischen Aufgaben, während Einzelhändler und Immobilienbesitzer unterstützt von einer guten Wirtschaftsförderung ein neues Konzept aufstellen müssten. Stefan Lange (CDU) forderte, bei der Innenstadtentwicklung endlich Mut zu zeigen. Die bisherigen Debatte mit immer neuen Grundsatzentscheidungen sei ihm da wie eine Beschäftigungstherapie für Kommunalpolitiker vorgekommen. Da sei es kein Wunder, dass ein Investor abgesprungen sei.
CDU und Grüne beklagen Einknicken bei Windkraft
Beim Thema Windkraft warf die Lange dem neuen Bürgermeister vor, beim ersten fragwürdigen Gegenwind einer Behörde die eindeutige Beschlusslage außer Kraft gesetzt zu haben, und kündigte an, sich vehement gegen Kniffe und Tricks zu wehren, die demokratisch getroffene Beschlüsse außer Kraft setzen wollen. Auch Becker beklagte, dass man in Sachen Windkraft nach vier, fünf Jahren Arbeit wieder bei Null stehe. Er forderte, die Sichtweise des Kreises, der das Landschaftsbild unangemessen in den Vordergrund stelle, nicht einfach hinzunehmen, und warnte vor den Prozessen, die von den Windkraft-Investoren der Hellefelder Höhe kommen könnten und Sundern über Jahre beschäftigen wurden. CDU und Grüne waren es, die 2014 gemeinsam den Beschluss für die Windkraftflächen auf der Hellefelder Höhe gefasst hatten.
Gegen Effekthascherei und permanenten Wahlkampf
Der Wunsch der Bürger nach Veränderung sei deutlich zu spüren, sagte Rüdiger Laufmöller (FDP). Sundern habe jetzt einen Bürgermeister, der nicht aus Sundern komme, der nicht Mitglied der CDU sei und der nicht aus der Verwaltung komme. Das sei noch keine Garantie fürs Gelingen. Aber eine große Chance. Und der Wille, zu liefern, sei bei Ralph Brodel eindeutig erkennbar. „Mehr Projekte, die Sundern ohne große Folgekosten weiter bringen, weniger Projekte, bei denen das rote Bändchen durchschnitten wird und die Kapelle spielt“ forderte Michael Stechele, „weniger Effekthascherei“ Siegfried Huff von der Linken, „keinen Wahlkampf für die nächsten vier Jahre“ Hans Klein von der WISU. Toni Becker blickte in seinen Schlusssätzen weit über Sundern hinaus, brachte die Ausbeutung des Planeten und die immer noch wenig nachhaltige Lebensweise zur Sprache.