Arnsberg. „Die Stadt wird 2030 anders aussehen, aber ich habe ein positives Bild im Kopf, denn wir werden den demografischen Wandel abmildern,“ sagte Bürgermeister Hans-Josef Vogel, als er unmittelbar vor der Ratssitzung den Flüchtlings- und Migrationsbericht „Ankommen und Weiterkommen in Arnsberg“ vorlegte, der Perspektiven aufzeigt, wie die Gestaltung der Zuwanderung zu einer „Win-Win-Situation“ werden kann. „Und wir schaffen auch mehr als unsere Pflicht!“, fügte der Bürgermeister hinzu und kündigte an, bei freien Unterbringungskapazitäten „proaktiv“ auch mehr als die zugewiesenen Flüchtlinge aufzunehmen, um „vor die Lage zu kommen“ und sie gestalten zu können.
Ohne Zuwanderung verliert Arnsberg 7600 Einwohner in 15 Jahren
Vogel zitiert aktuelle Zahlen der Bertelsmann-Stiftung zu Bevölkerungsentwicklung, die Arnsberg bis 2030 gut zehn Prozent weniger Einwohner, nur noch 66.290 statt 73.890, voraussagen. „In 15 Jahren fehlen uns über 7600 Einwohner, also die Einwohnerzahl von Oeventrop, Rumbeck, Breitenbruch und Uentrop,“ so Vogel. Nur noch 29.000 Arnsberger werden 2030 unter 45 jahre alt sein. Dem stellt der Bürgermeister entgegen, dass in Arnsberg 2014 40 Prozent der Asylanträge von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren gestellt wurden. In diesem Jahr sei ein einziger Antragsteller älter als 65 gewesen.
Zu allen Zeiten Zuwanderer und Flüchtlinge in Arnsberg
In einem historischen Rückblick zeigt der Bericht zudem, dass „zu allen Zeiten Zuwanderer und Flüchtlinge nach Arnsberg kamen“. Nach der Französischen Revolution 1790 etwa seien 40 Prozent der Arnsberger Flüchtlinge gewesen und auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Tausende aufgenommen und integriert. Es folgten in den 1960-er Jahren die sogenannten Gastarbeiter, die mit ihren Familien heute nicht mehr wegzudenken seien. Dann kamen Tausende von Spätaussiedlern aus Osteuropa und zuletzt in den 1990-er Jahren über tausend Bürgerkriegsflüchtlinge aus Ex-Jugoslawien. „Die Zuwanderung hat sich immer schon positiv auf die Demografie in Arnsberg ausgewirkt,“ stellt Vogel fest.
Höchststand von 1993 wird übertroffen
Derzeit nun erlebe man eine Völkerwanderung, wie man sie sich noch im Frühjahr nicht habe vorstellen können, sagt der Bürgermeister und er könne sich nur Bedanken für das große Engagement, mir dem seine Stadtverwaltung, die Hilfsorganisationen und die Bürger die Situation meistern. Es sei schon eindrucksvoll, wenn innerhalb von fünf Stunden für 150 Menschen Unterkunft geschaffen werden könne. In diesem Jahr werde auf jeden Fall der Höchststand von 403 zugewiesenen Asylbewerbern aus dem Jahr 1993 übertroffen. Die 150 Neuankömmlinge, die man bis Jahresende noch erwarte, könnten in den bestehenden Unterkünften noch untergebracht werden. Im neuen Jahr könne man eine Spanne bis 350 Personen managen, da durch Umzüge in Wohnungen, Rückführungen und freiwillige Ausreisen Plätze frei würden. Kämen mehr, werde auch mehr Wohnraum gebraucht. Dann werde man flexibel handeln, vorhandene Gebäude herrichten oder anmieten, so Vogel, der die hohe Bereitschaft in der Stadt lobt, Mietwohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen.
Planvolle Aufnahme statt Ausnahmesituationen
Vogel rechnet auch damit, dass die leerstehende Eggeklinik in Oeventrop nun doch zu einer Zentralen Unterbringungseinrichtung des Landes für 400 Flüchtlinge wird. Die dortigen Bewohner würden der Stadt auf ihr Aufnahmekontingent angerechnet. Ebenso ist es mit der Notunterkunft des Landes in der Pestalozzischule. Dort sind inzwischen 300 Menschen untergebracht. Die voraussichtliche Nutzungsdauer dieser Notunterkunft hat die Bezirksregierung bereits von Ende 2015 auf Mitte 2016 ausgedehnt. Gerade dieses Provisorium und die Fragezeichen hinter seiner Dauer ist ein Grund, warum die Stadt proaktiv auch Flüchtlinge „in vertretbarem Rahmen“ unabhängig von Landeszuweisungen aufnehmen will. Denn wegen einer planvollen Unterbringung und Teilhabe der Flüchtlinge will man Ausnahmesituationen und Aufnahmespitzen vermeiden. Und solche Situationen könnten entstehen, wenn das Land die Pestalozzischule nicht mehr braucht und Arnsberg so auf einen Schlag um 300 Personen unter seinem Kontingent liegt.
„Nie eine zue Tür für Kinder“
„Das ist eine große Chance und eine reizvolle Zeit, die man nicht jedes Jahr hat. Aber es ist keine Zeit für Bequeme, für Kurzatmige und schon gar nicht für solche mit rassistischen Einstellungen,“ sagt Vogel. Und fügt hinzu: „In dieser Stadt wird es nie eine zue Tür für Kinder geben.“ Wichtig sei dabei, dass Kinder und Jugendliche so schnell wie möglich in die Regelklassen kommen. Dafür seien weitere Vorbereitungsklassen erforderlich, vor allen an den beiden städtischen Gymnasien, weil Realschulen auslaufen und Sekundarschulen noch im Aufbau sind. Bei der wichtigen Potenzialbefragung der schulpflichtigen Kinder werde Arnsberg ein eigenes Diagnosesystem entwickeln. Auch die KiTas seien bei der Sprachförderung herausragend gefordert.
Deutsch-Lernzentrum bei VHS soll Zeichen setzen
Bei der VHS seien derzeit schon über 50 Prozent aller Unterrichtsklassen Sprachförderung. In Neheim lernen jeden Morgen 140 Menschen mit großer Bereitschaft. Mit zusätzlichen Räumlichkeiten und einer schlagkräftigen Bündelung der Dozenten-Kapazitäten soll bei der VHS in Neheim jetzt ein Deutsch-Lernzentrum entstehen. „Ein Gesicht und eine Anlaufstelle, mit der wir Zeichen setzen“ so Vogel. Anfang 206 werden auch die ersten – voraussichtlich 30 – unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge Arnsberg zugewiesen. „Eine besondere Aufgabe,“ so Vogel, für die Gast- und Pflegeeltern gesucht werden. Alleinstehende Flüchtlingsfrauen mit und ohne Kinder sollen gezielt in einer Unterkunft untergebracht werden, um Belästigungen und Übergriffe zu verhindern. Alle Unterkünfte sollen möglichst nicht bis an die Kapazitätsgrenze belegt werden, um Konflikte zu vermeiden, und auch die Renovierung der älteren Wohnheime ist geplant.
Integration durch Arbeit und Ausbildung
Neben Bildung sollen auch Vermittlung in Arbeit und Ausbildung Schwerpunkte sein. „Der größte Feind der Integration ist die Langeweile,“ sagt Vogel. So soll ein Pool der Angebote gebildet werden für Praktika, Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Mit der Agentur für Arbeit ist ein Projekt vereinbart worden, dass Menschen aus Herkunftsländern mit besonders hoher Schutzquote – aktuell Syrien, Irak, Afghanistan, Eritrea und Somalia – zeitnah individuelle Eingliederungsperspektiven anbieten soll.
Mehrausgaben 2015 durch Mehreinnahmen gedeckt
Der druckfrische Flüchtlingsbericht hat auch schon die erst am Wochenende von Bund und Ländern vereinbarte Finanzierungsgrundlage berücksichtigt. So rechnet der Kämmerer in diesem Jahr dank der höheren Zuweisungen von rund zwei Millionen Euro damit, das die Mehraufwendungen durch Mehreinnahmen gedeckt werden können. Für 2016 und 2017 sind Mehrausgaben unter anderem für das Deutsch-Lernzentrum, die Renovierung von Unterkünften und mehr Personal im ausgeglichenen Haushaltsentwurf enthalten. Weitere benötigte Immobilien könnten allerdings derzeit nicht kalkulierbare Mehrkosten verursachen.
Spendenkonten
So fehlt im Flüchtlingsbericht auch nicht der Hinweis auf zwei Spendenkonten der Stadt Arnsberg und die von der Bundesregierung erleichterte steuerliche Anerkennung der Spenden. Unter dem Stichwort „Arnsberger Flüchtlingsfamilien“ kann man hier spenden:
- Sparkasse Arnsberg-Sundern IBAN DE16466500050000000026, BIC WELADED1ARN
- Volksbank Sauerland IBAN DE2646660022002140100, BIC GENODEM1NEH
Eine Antwort
Und die 7600 Menschen die dann fehlen werden dann durch Arbeitslose und kranke Asylanten ersetzt !