Arnsberg. Auf eine Ausstellungseröffnung an gleich drei Orten können sich die Freunde des Kunstvereins Arnsberg am Freitag, 11. April freuen. Um 19 Uhr geht es los in den Räumen des Kunstvereins an der Königstraße, wo Julian Charrière unter dem Motto „Die Welt ist mittelgroß“ ausstellt. Anschließend geht es zum Neumarkt, in dessen Mitte Julius von Bismarck in mehrtägiger schweißtreibender Arbeit sein Objekt „History Apparatus“ errichtet hat, und abschließend zum Lichthaus, wo gegen 20 Uhr die Installation „Spring forward Fall back“ von Andreas Greiner vorgestellt wird. Alle drei Künstler werden bei der Eröffnung dabei sein.
Studium am Institut für Raumexperimente
Vlado Velkov, der künstlerische Leiter des Kunstvereins, hat die drei jungen Künstler, die sich gut kennen und auch ein Studio teilen, aus Berlin nach Arnsberg geholt. Dort gehörten alle drei zu den 20 Leuten, die am Institut für Raumexperimente, einem fünfjährigen Sonderprojekt der Universität der Künste, studiert haben. „Natur, Physik, Technik und Biologie sowie der Wunsch, Menschen und Orte zueinander zu bringen, ziehen sich wie ein roter Faden durch die Inszenierungen der drei Künstler,“ so Kathrin Ueberholz, die Geschäftsführerin des Kunstvereins.
Brutaler Akt schafft Welt ohne Grenzen
Julian Charrière präsentiert einen abgeschmirgelten Leuchtglobus mit dem türkisfarbenen Staub des ehemaligen Aufdrucks. Dafür hat er sich aus 194 Staaten weltweit Sand bestellt, daraus Sandpapier hergestellt und insgesamt 15 Globen abgeschmirgelt. Im Moment ein sehr brutaler und aggressiver Akt, mit dem er 150 Jahre Weltgeschichte gelöscht habe, so der Künstler, aber dann auch ein sehr beruhigendes Werk mit einer Welt ohne Grenzen. Zu jeder Sandlieferung hat der Künstler auch ein Foto vom Herkunftsort bestellt. Diese Bilder werden im Nachbarraum von drei Projektoren an die Wand geworfen. „Es ist unglaublich, wie wenig diese Fotos aussagen,“ meint der Künstler. Bis auf vielleicht 20 zeigten sie alle Orte ohne Eigenschaften, ständen damit im krassen Gegensatz zu den Bildern, die man im Internet zu den jeweiligen Ländern finde. Deshalb sei er auch auf den Ausstellungstitel „Die Welt ist mittelgroß“ gekommen.
Dreckhügel werden Alpenwelt
Charriére zeigt auch zwei Filme mit Bezug zu seiner Schweizer Heimat. In einem lässt er in der menschenleeren Einöde von Island einen Stein einen steilen Berg hinabrollen, etwas, was in der Schweiz strengstens verboten ist, eine „Contra-Sysiphus-Arbeit“ in einer Landschaft ohne Orientierungspunkte. Im anderen Film zeigt er mit Mehl bestäubten Erdaushub Berliner Baustellen, der mit Feuerlöschern benebelt wird, was den teils täuschend echten Eindruck von Schweizer Hochgebirgsgipfeln im Spiel von Wolken und Wind vermittelt. Mit Abstraktion und Verlust des Raumgefühls will er zeigen, dass die Schweiz keineswegs so friedlich und neutral ist, wie sie sich gerne gibt, und dass die so gerne vermarktete Alpenwelt hier nichts anderes ist als ein paar Dreckhügel. Ein Spiel mit horizontalen und vertikalen Zeitlinien sind die aus verschiedenen Ländern und Erdzeitaltern stammenden Bohrkerne, die zerschnitten und bunt gemischt wieder zusammengefügt worden sind. Gegen staatlichen Vandalismus wie etwa Staudammprojekt protestiert der Künstler mit Sprühaktionen in einsamer Natur, von denen vier als Abbildungen gezeigt werden.
„Einem Baum traut man!“
Um Geschichtsschreibung und Geschichtswahrnehmung sowie deren Glaubhaftigkeit und Fälschbarkeit geht es Julius von Bismarck. Er präsentiert mitten auf dem Neumarkt den mächtigen Baumstumpf einer vielleicht 500 Jahre alten Eiche, der zumindest für den, der sich in Arnsberg nicht auskennt, so aussehen soll, als habe er immer schon dort gestanden und sei gerade erst abgesägt worden. „Jeder, der diesen Baumstumpf sieht, stellt sich einen Baum vor, aber jeder hat einen etwas anderen Baum im Kopf,“ sagt der Künstler und fügt hinzu: „Einem Baum traut man, als erzähle er Fakten.“ „Kunst findet eben im Kopf eines jeden einzelnen statt, ploppt plötzlich auf,“ sagt Kathrin Ueberholz.
Der prächtige Baumstumpf stammt übrigens aus Wildshausen, ist dort mit Hilfe der Feuerwehr geborgen worden. Der Baumstumpf steht in einem Bett aus Schmiersand und wird eingefasst von einem leicht einbetonierten Ring aus Pflastersteinen. Künstler und Kunstverein hoffen, dass das einigermaßen vandalismussicher ist. Noch geklärt werden muss, ob diese Installation ebenso wie die beiden anderen Ausstellungsteile bis zum 1. Juli bleiben kann. Das geht nur, wenn sie sich in den Historischen Jahrmarkt während der Arnsberger Woche integrieren lässt.
Kleider- und Blumenspenden mit Motten und Blattläusen willkommen
Die Installation von Andreas Greiner wird für die Besucher in den kommenden zwei Monaten nur durch die rückwärtigen großen klaren Scheiben zu betrachten sein. „Wie in einem Gewächshaus oder Terrarium,“ so Katrin Ueberholz. Der Künstler selbst bewohnt derzeit für eine Woche das Lichthaus, um das Werden seiner Installation zu gestalten und zu verfolgen, anschließend aber den Ureinwohnern die Bühne zu überlassen. Er will den Frühling willkommen heißen und sich an allem erfreuen, was kreucht und fleucht. Marienkäfer und Schmetterlingslarven, aus denen bereits zwei Nachtpfauenaugen geschlüpft sind, hat der Künstler selbst mitgebracht, Fliegen lockt er mit Katzenfutter an und auch fünf Spinnen und ein Silberfischchen hat er bereits entdeckt. Aus der Nachbarschaft möchte er gerne andere Nachtpfauenaugen anlocken. Für diese ist in einer zufällig gerade kaputten Scheibe eine Schleuse eingebaut worden und ein Kronleuchter sendet ultraviolettes Licht aus. Sobald ein Falter die Lichtschranke durchfliegt, ertönt aus einer altertümlichen Musiktruhe Barockmusik. Andreas Greiner hat auch einen transportablen Kleiderschrank mitgebracht und bittet um Kleiderspenden, die mit Motten befallen sind. Auch möglichst große Zimmerpflanzen werden noch gesucht – gerne von Blattläusen, um die anderen Insekten im Glashaus zu ernähren. Diese Spenden können Freitag oder Samstag vor dem Glashaus abgestellt werden.
Infos: www.kunstverein-arnsberg.de