Arnsberg. „Es gibt nichts Spannenderes als einen Tag in der Beratungsstelle der Verbraucherzentrale“, sagte Marlies Albus, die diese Beratungsstelle an der Neheimer Burgstraße im 27. Jahr leitet, als sie am Dienstag Bürgermeister Hans-Josef Vogel den Jahresbericht 2016 vorstellte. Neben dem Zahlenwerk, das die vielen Aktivitäten zum Wohle des Verbrauchers spiegelt, konnte sie auch mit vielen plastischen und drastischen Beispielen aus dem Arnsberger Alltag aufwarten. „So viel schlechte Menschen, so viel schlechtes Tun“, kommentierte Energieberater Carsten Peters, was seinen Kolleginnen und Kollegen tagtäglich im Kampf gegen Abzocke, Täuschung und Kassemachen auf den Schreibtisch kommt.
Geld weg – Ware nicht da
So berichtete Marlies Albus von der jungen Frau, die Weihnachten unbedingt ein ganz spezielles Handy verschenken wollte und es bei einem unbekannten Internetshop bestellte, weil sie es woanders nicht mehr rechtzeitig bekommen hätte. Sie zahlte 490 Euro. das Ergebnis: Geld weg, Handy nicht gekommen. Die Verbraucherzentrale hätte ihr gezeigt, wie man Online-Fake-Shops erkennen kann.
Infos gibt es bei der VZ auch zur Drittanbietersperre. Die hätte der Oma mit dem elfjährigen Enkel geholfen, die plötzlich 950 Euro auf der Telefonrechnung hatte. Der Pfiffige Enkel hatte das Passwort geknackt und dann wohl ein paar mal zu oft auf kostenpflichtige Fenster gedrückt, wie er hinterher kleinlaut zugab. „Wir fordern schon lange, dass die Drittanbietersperre zur Werkseinsstellung wird“, so Marlies Albus, „aber wir zeigen auch jedem, wie er sie bei seinem Handy einstellen kann.“
Mal fix ein Routenplaner für 500 Euro
Das hätte auch einem Arnsberger gut getan, der im Internet eine Reise plante und dabei die Hilfe eines – freundlicherweise und kostenlos, wie er dachte – angebotenen Routenplaners in Anspruch nahm. Nur bei langem Scrollen hätte er im Kleingedruckten lesen können, dass er im Begriff stand, mit einem Klick ein 24-Monats-Abo für stolze 500 Euro abzuschließen. Solche Verträge prüfen die Experten der Verbraucherzentrale und suchen Wege, auszusteigen. Nicht selten können sie den Abzockern einen Strich durch die Rechnung machen, oft schon, weil die Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist.
Inkasso: Ein Lkw für die Wertsachen
Marlies Albus stellt aber auch klar: „Wer eine Leistung in Anspruch nimmt, muss die auch bezahlen, und wenn er nicht bezahlt, muss er damit rechnen, dass irgendwann ein Rechtsanwalt eingeschaltet wird.“ Aber auch für Inkasso-Unternehmen gebe es Regeln, die eingehalten werden müssten. Als Beispiel, wie es nicht gehe, hatte sie einen Brief mitgebracht. Darin wurde einem Verbraucher mitgeteilt, man habe einen Titel gegen ihn erwirkt und innerhalb der nächsten drei Tage werde ein Mitarbeiter mit einem Lkw kommen, „um die Wertsachen abzuholen“, notfalls mit Schlüsseldienst und Polizei.
Ob dem Arnsberger Ehepaar geholfen werden kann, dass gut 11.000 Euro für eine neue Küche ausgegeben hat, aber bisher vergebens auf die Lieferung wartet, steht noch in den Sternen. Offenbar hatte der Möbelhändler die Küche zweimal verkauft und inzwischen Insolvenz angemeldet. Ärger mit Möbelhändlern gehöre zum Alltag der Beratungsstelle, ebenso wie mit Energieanbietern. So seien im letzten Jahr allein vier Energieanbieter abgemahnt worden.
Aus Zeitschriftenabos werden Energieverträge
Trotz der Aktivitäten der Verbraucherberater und der mühsam erreichten einen oder anderen Gesetzesänderung werden die Fallzahlen nicht weniger. Von den konstant über 10.000 Kundenkontakten im Jahr sind über 1000 Fälle Rechtsberatung und Rechtsvertretung. „Die Abzocker reagieren sofort, ändern nur das Thema“, so Marlies Albus. Wo früher Zeitschriftenabos an der Haustür verkauft worden seien, seien es heute Energieverträge. Im ersten Quartal 2017 ist die Zahl der Rechtsvertretungen sogar noch um ein Drittel angestiegen. Das liege an den Flüchtlingen, die jetzt aus den Unterkünften in die eigenen Wohnungen gekommen seien und Schwierigkeiten hätten, so Albus. So habe ein Syrer festgestellt, dass er für seine Wohnung an zwei Stromanbieter bezahle. Es gebe aber auch den Fall des Flüchtlings, der seine Landsleute gegen Provision mit Verträgen eines inzwischen insolventen Anbieters abgezockt habe.
Wechselberatung: Nicht billig, sondern seriös
Da die Verbraucherzentrale nicht erst hilft, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, wird sie demnächst im neuen Engagementzentrum in Hüsten spezielle Beratungsangebote für Flüchtlinge anbieten. Und auch wer einen günstigen Energieanbieter sucht, kann sich in der Burgstraße beraten lassen. „Wir haben ein eigenes Tool und empfehlen nicht den billigsten Anbieter, sondern seriöse ohne Boni und Abschlagszahlungen. Die 9 Euro für eine halbe Stunde Wechselberatung lohnen sich“, sagt Marlies Albus. Eine Flüchtlingsfamilie etwa habe 648 Euro im Jahr gespart.
Für die Jugend: Konsumieren will gelernt sein
Die Verbraucherzentrale berät auch, wie man sich Zuzahlungen bei Arzneimitteln zurückholen kann. Die Beratung zu Geldanlage und Altersvorsorge im Zinstief ist mit 170 Euro für anderthalb Stunden nicht billig, aber völlig neutral und 97 Prozent der Nutzer waren zufrieden. „Eine Klasse-Sache, auf die wir stolz sind“ ist das Beratungsangebot „Konsumieren will gelernt sein“ für Jugendliche. 537 Teilnehmer haben jetzt mehr Durchblick, was die erste eigene Wohnung, Geldgeschäfte oder auch Urheberrechtsverletzungen im Internet angeht. Die Energieberater haben 1256 Beratungen durchgeführt, davon 114 beim Verbraucher zu Hause. Ein Highlight war auch die Thermografiebefliegung in Holzen mit 92 Teilnehmern. Mit vielfältigen Aktionen ist die Verbraucherzentrale auch immer wieder unterwegs, auf Messen, Märkten und Festen. So wird es bei Neheim Live ganz aktuell einen Infostand zum Wegfall der Roaming-Gebühren geben, was den Arnsbergern beim Sommerurlaub im EU-Ausland so manchen Euro Telefonkosten sparen kann.
Vogel: „Mündigen Bürger auch mündig machen“
„Wir sind stolz, dass wir die Verbraucherzentrale in Arnsberg haben als regionale Anlaufstelle, in der geholfen wird,“ sagt Bürgermeister Vogel. Diese Themen seien ganz wichtig auch in den kommenden Jahren in einer immer bunteren und unübersichtlicheren Welt. „Wir wollen alle den mündigen Bürger, dann müssen wir ihn auch mündig machen.“